Sehnsucht
nach Rückkehr
Psychologsicher Hintergrund
Nach
dem traumatischen Erlebnis, dass die Welt nicht eins ist, sondern
dass solitäre Geschöpfe, insbesondere die Mutter, existieren,
die sich von ihm trennen können, dass die Symbiose folglich
eine Illusion ist, nimmt das sich anklammernde Kind die Tatsache
hin, dass lebenswichtige, aber unergründliche Objekte wirklich
außerhalb seiner selbst bestehen. Es behauptet aber in seiner
Ohnmacht, dass sie es nie verlassen wird, wenn es sich nur untrennbar
an sie heften kann. Seine Wirklichkeitsprüfung zwingt es zunächst
nicht unmittelbar, persönliche Fertigkeiten zu erwerben, nötigt
es aber zwingend, sich anzuklammern. Unter Umständen fühlt
es sich als Klammerparasit angenommen.
„... die tieftragische Situation ist die, dass man, je fester
man sich anklammert, um so weniger vom Objekt gehalten wird.“1
Neben dem in der Psychologie bekannten Ödipuskomplex lässt
sich das im Roman beschriebene Schicksal mit den Untersuchungsergebnissen
der von Michael Balint in seinem Werk „Angstlust und Regression“
entwickelten Typenlehre vereinbaren. Balint sieht das seelische
Verhalten nicht nur in Verbindung mit den Triebtendenzen, sondern
legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Objektbeziehungen.
Unser schwerstes Trauma bleibt ein Leben lang die Erkenntnis, dass
die Mutter sich von uns lösen kann, ein uns gegenüberstehendes
Objekt darstellt.
1 Michael Balint: Angstlust und Regression,
2. Auflage, Stuttgart 1988, S. 65f
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Diese angstauslösende Situation wird auf zwei Arten bewältigt.
Entweder versuchen wir die verlorene Einheit aus eigener Kraft wieder
herzustellen, indem wir uns an das Objekt unserer Zuneigung anklammern,
oder aber wir akzeptieren die Objektwelt, bieten ihr die Stirn,
behalten sie unentwegt im Auge und meiden jene Objekte, die falsche
Sicherheit bieten. Daraus entwickelte Balint zwei Typen, und zwar
den sich anklammernden Oknophilen und den auf Sicherheit und Abstand
bedachten Philobaten. Der gesunde Mensch stellt eine Mischform dar,
aber bei einer zu einseitigen Entwicklung treten typische Krankheitsbilder
auf:
Der durch Alois vertretene ‘Klammeraffe’ (Oknophil)
und der sich in Billi veranschaulichte Philobat, der bei zu enger
Bindung an ein Objekt Gefahr wittert und sich deshalb wieder in
sicheren Abstand begibt.
So gesehen spiegelt Alois Problem die ursprüngliche Verneinung
der Objekt-Welt dar. Immer wieder versucht der Oknophile, die verlorene
Einheit wiederherzustellen, während seine Ehefrau inzwischen
die längst verstorbene Mutter ersetzt hat. Diese, wie Balint
sich ausdrückt, „tieftragische Situation“ degradiert
den erwachsenen Alois zur hilflosen Kreatur, die sich unselbstständig
mit kindischem Trotz an das von ihr verehrte Objekt anklammert.
Und als diese subjektiv lebensnotwendige Bindung zerreißt,
kommt es zum Realitätsverlust. Die Angst vor der feindlichen
Objektwelt lässt das umnachtete Hirn die Wirklichkeit ignorieren
und beschwört in regressiver Tätigkeit den Ursprung herauf,
aus dem sich alles entwickelte: Das war der feindliche Vater, der
als erster die Mutter wegnahm und damit die primäre Harmonie
zerstörte. Das hatte Alois nie vergessen, ohne sich dessen
jemals bewusst zu werden. Als extrem Oknophiler blieb ihm sein Leben
lang keine andere Wahl, als sich anzuklammern, wofür er die
verschiedensten Mittel wählen musste: Gehorsamkeit gegenüber
dem Vater um der Mutterliebe Willen ebenso wie der Hinweis auf die
gemeinsame Tochter, mit dem Ziel, die Ehefrau an sich zu binden,
sie auf diese Art und Weise ‘festzuhalten’.
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