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Ein-Mann-Theaterstück in fünf Akten

Inhalt / Worum es geht

BlackoutEin Mann kommt nach Hause in seine Wohnung und findet unter seiner Post eine Vorladung als Augenzeuge eines Verkehrsunfalls. Trotzdem er den beobachteten Vorfall seiner Partnerin am Telefon schildert, mag er vor Gericht keine Aussage machen.
Er wendet sich appellativ an sein Publikum, dem er die Gründe seiner Ablehnung detailliert auseinandersetzt. Er schlüpft dabei in die Rolle des pedantischen Juristen, der einen Tatzeugen mit Fangfragen unter Druck setzt.
Er stellt sich und dem Publikum die Frage, inwiefern das menschliche Erinnerungsvermögen vertrauenswürdig sei. An immer neuen Beispielen versucht er unter Beweis zu stellen, dass unsere kognitiven Fähigkeiten sich überhaupt nicht dazu eigneten, glaubhafte Aussagen über unsere Erlebnisse zu machen.
„Ist Ihnen irgendetwas Besonderes aufgefallen, als Sie dieses Theater betraten? Irgendetwas? Denken Sie nach, Mann, denken Sie nach. Es ist ungeheuer wichtig.

„Eben noch im Foyer, als Sie Ihren Mantel auszogen, wer stand da links von Ihnen? Wo hatten Sie denn Ihre Augen? Oder stand da überhaupt niemand? [...] Ich verlange keine Szene, bei der Sie nicht zugegen gewesen wären – und Sie versagen? Versagen jämmerlich im Kreuzverhör der Erinnerungen, zeigen peinliche Symptome von Gedächtnisschwund. Ein Armutszeugnis ist das. Ich verlange Banalitäten, nichts als Banalitäten. Eine absolut triviale Aussage aus ihrem Leben. Sehen Sie, Sie können nicht einmal Ihr eigenes Leben unterschreiben. Sie wissen ja gar nicht, was passiert ist, wenn ich Ihre Erinnerung nicht nach den für Sie relevanten Suchkriterien bemühe. Sie wissen nur das, was Sie unmittelbar interessiert. Alles andere löst sich auf im diffusen Nebel der Peripherie Ihrer Aufmerksamkeit. Zugriff nicht erteilt. Als Zeuge unbrauchbar. Wie ich. Gott steh mir bei.“

 

 

Sein Problem ist eine phobische Verunsicherung, aus der Angst heraus, seine Person und seine Wahrnehmungen weder im kleinsten noch im größten Zusammenhang richtig zu interpretieren. Er gerät in Zwiespalt, indem er seinen eigenen Ankläger spielt, der sich metaphorisch in der Person des Staatsanwalts widerspiegelt und seine Zeugenaussage auseinandernimmt. Er degradiert seine Wahrnehmungen zu visionären Projektionen seiner Wunschvorstellungen. Die Lebenskrise entwickelt sich.

„Wenn ich daran denke, wie viele Tricks und Kniffe ich im Leben schon anwandte, um ein System zu entwickeln, dass mich vor Schusseligkeit bewahrt hätte, vor verpatzten Terminen, versehentlich zurückgelassenen Besitztümern oder verlegten Gebrauchsgegenständen. Es half alles nichts: von Eselsohren und -brücken bis zum Knoten im Taschentuch, – alles Schrott. Und wissen Sie, warum? Weil Sie nichts weiter tun können, als Ihren Wunsch zu codieren, den Wunsch eben, nicht zu vergessen. Gedächtnisstützen basteln: Sie setzen sich ein Zeichen, erfinden ein Informationsvehikel, das sie erinnern soll. Aber dann übersehen sie das Zeichen, weil sie vergessen haben, dass es eins sein sollte. Und dann ziehen sie das Taschentuch mit dem Knoten aus der Waschmaschine und wissen im selben Augenblick: Es ist zu spät. Und entschuldigen sich nachher mit dem Argument, Sie seien nicht dazu gekommen – stimmt ja auch, irgendwie: Sie sind nicht dazu gekommen, sich an die nämliche Angelegenheit zu erinnern.“

Er ist sich seiner nicht sicher, hat kein Vertrauen zu sich, weshalb er sich nicht hinzugeben vermag: Gefangen in seinen eigenen Vorbehalten scheitert er an einem Leben, das Entscheidungen abfordert. Wie sich herausstellt, scheitern deshalb auch seine persönlichen Beziehungen, zur Geliebten ebenso wie zu seiner Mutter, hinter der sich das Fanal seines schlechten Gewissens verbirgt: Sie war es, die ihn immer gemahnte, „ja nichts zu vergessen“, und sie bleibt der vergiftete Quell seiner neurotischen Zwanghaftigkeit.

„Wenn wir ehrlich sind, dealen wir doch alle mit Utopien, feilschen mit den Projektionen unserer Bedürfnisse. Herrschaften, noch mal. Wir spielen Gott, wenn wir unser Leben erzählen. Wir spielen Gott, wenn wir zu uns selbst vorzudringen glauben und mit billigen Imitationen unsere Geschichten nachempfinden. Und wir schmoren in der Hölle, wenn der Staatsanwalt der objektiven Wahrnehmung unseren Lebenslauf im Kreuzverhör auseinandernimmt.“

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Der Plot

Das Konzept