Anna & Toni
Ein Buch für Quartanerinnen und
Quartaner
Kinderroman • 146.300 Zeichen • ca. 80
Buchseiten
Das Mädchen Anna und den Jungen Toni verbindet eine dicke
Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für freche Streiche.
Die Geschichte berichtet von ihren Erlebnissen während ihres
ersten Halbjahrs auf dem Bummel-Gymnasium in der siebten Klasse.
Schnell stellt sich heraus, wer in der Klasse wie einzustufen ist:
vorne in der ersten Reihe sitzt die Streberfront, die Durchschnittschüler
verteilen sich auf das Mittelfeld und ganz hinten, in sicherer Deckung,
haben sich Anna und Toni ihre Plätze gesichert. Doch im Lauf
der Geschichte entpuppt sich diese Klassenaufstellung als die fälschliche
Ableitung eines Vorurteils. Am Ende kommt es zu einem großen
Eklat und alle, die sich auf diese Vorurteile stützten, sowohl
der Klassenlehrer als auch Anna und Toni, müssen gewaltige
Abstriche machen.
Das Buch wird ergänzt durch ein
digitales Quiz, dessen Lösung eine sorgfältige Lektüre
der Geschichte voraussetzt. In dem Abfrage-Spiel werden Fragen sowohl
zum Inhalt der Geschichte als auch zum Lehrstoff der Quarta (7.
Klasse des Gymnasiums) abgefragt. Das interaktive Feature ist mit
JavaScript auf HTML-Basis programmiert und eignet sich deshalb vorzüglich
für eine Veröffentlichung im Internet, kann aber auch
auf CD gebrannt und mittels jeden beliebigen Internet-Browsers gespielt
werden.
Demonstration
(öffnet sich in einem weiteren Browserfenster)
Inhalt / Worum es geht
„Anna, die sich jetzt wieder gefasst hat,
peilt mit ihren wachen, blauen Augen die Lage: Vorne, in der ersten
Reihe, sitzen ein Mädchen und ein Junge wie brave Pflänzchen
schon jetzt festgewachsen auf ihren Stühlen und beschriften
ihre funkelnagelneuen Schulhefte. Das ist die Oberliga, denkt sie,
die Streberfront in der ersten Sitzreihe. Hinter ihnen verteilt
sich das Mittelfeld, wo sich die Liberos tummeln, Schüler wie
du und ich, die eben auch mal ihre Hausaufgaben vergessen und sehr
wohl darum wissen, dass die Schule allein eben nicht das ganze Leben
ist. Und hinten, ganz hinten, letzte Sitzreihe, der Strafraum, da
gehören sie hin, Anna und Toni, das ist ihr Platz, von wo aus
sich das ganze Geschehen gut überblicken lässt. Da, wo
man sich ducken kann und leises Flüstern nicht bis nach vorne
an die Ohren des Lehrers dringt.“
Zweite Stunde: English Lesson
Der Englischunterricht bei Mr. Stupidle ist immer wieder ein Erlebnis.
Der Grund dafür liegt in der Person des kurzsichtigen und ebenso
kurz vor der Pension stehenden Englischlehrers, der einerseits seine
angelsächsische Muttersprache über alles liebt, an-dererseits
aber völlig unfähig ist, seinen Schülern zu erklären,
wie diese Sprache funktioniert. Mr. Stupidle ist die Krönung
der babylonischen Sprachverwirrung, mit jeder Stunde mauert er einen
neuen Stein auf den Turm von Babel. Anna allerdings ist das egal,
sie liebt die englische Sprache nämlich ebenso wie ihr Englischlehrer
und bereitet sich deshalb auf jede Unterrichtsstunde gründlich
vor. Allerdings fallen ihre Kenntnisse im Unterricht von Mr. Stupidle
nicht immer auf fruchtbaren Boden.
„Good morning boys and girls“, brüllt ‘Stupi’
in den Raum, in der wagen Hoffnung, dass es ihm vor seinem, wie
er meint, wohlverdienten Ruhestand doch noch einmal gelingen könnte,
die Begeisterung seiner Schülerschaft zu wecken. Die Resonanz
ist geteilt, reicht vom einfachen „Hello“ aus der Stürmer-
und Streberfront über ein „gooden auch“ im Mittelfeld
bis hin zu einem „moin moin“ aus dem Strafraum. Das
allerdings verwirrt den britischen Pädagogen keineswegs, denn
seine Gedanken eilen schon voraus ‘in medias res’, dem
Unterrichtsstoff und seinem Element:
„Wir werden heute, wie bereits angekündigt, die englischen
Uhrzeitangaben durchnehmen.“ Verzückt rollt er mit den
Augen und fährt in einem nahezu säuselnden Tonfall fort:
„It’s four o’clock – es ist vier Uhr. It’s
five o’clock – es ist fünf Uhr. It’s six
o’clock – es ist sechs Uhr.“ Mr. Stupidles Augen
glänzen vor Hingabe angesichts solch sprachlicher Perfektion,
seine Wangen glühen.
„Und wer“, fährt er fort, „kann mir diese
Reihe fortsetzen?“
Zack, Kunigundes Finger schnellt schon in die Höhe, gefolgt
von der Meldung Detlefs. Anna ist verwirrt. Sie versteht das nicht.
Das ist doch Unfug! Während Detlef die von Mr. Stupidle eröffnete
Aufzählung in niederschmetternder Monotonie fortsetzt, indem
er also nichts weiter tut, als vor sich hinzubrabbeln, sendet Anna
eine Zettelmail an ihren Tisch-nachbarn Toni, folgenden Inhalts:
„Das ist doch idiotisch, es ist jetzt genau Viertel nach neun
– ‘a quarter past nine o’clock’. Soll ich
ihn aufklären?“ Toni beantwortet Annas Anfrage mit heftigem
Kopfnicken.
Sie meldet sich – das heißt, sie verschafft sich wieder
mal mit ihrem unüberhörbarem Fingerschnippen sofortiges
Gehör – und das Unheil nimmt seinen Lauf.
„Oh, Anna, what’s the matter – was ist los, Anna?”
„It isn’t correct, Mr. Stupidle.”
„What’s not correct, Anna?”
„Your example is foolish, Ihr Beispiel ist voll daneben, it’s
just a quarter past nine o’clock.“
Mr. Stupidle verdreht genervt die Augen und schüttelt sein
langes, mit seinen schweren Schuljahren als erfolgloser Englischlehrer
ergrautes Kopfhaar und meint verdrossen:
„It doesn’t matter, Anna, in this lesson it does not
matter! – Das spielt hier überhaupt keine Rolle, es geht
um die Syntax, nicht um die tatsächliche Uhrzeit, verstehst
du das?“
„jou, doesn’t matter“, antwortet Anna tonlos.
„Not ‘jou’ – it doesn’t matter, do
you understand, do you?”
„Yes, it doesn’t matter – es spielt keine Rolle,
ob ich das verstehe, ich muss das nicht verstehen – I don’t
have to understand.”
„Shit and shut up – Mist ist das, und halt jetzt deine
Klappe.“
Wieder einmal gerät der unfähige Pädagoge aus dem
Gleichgewicht, er ist der vorlauten Göre einfach nicht gewachsen.
Den Tränen nahe ringt er um Fassung, da kommt ihm die artige
Kunigunde zu Hilfe, deren immer noch erhobener Arm langsam abzusterben
droht.
„Kunigunde, please.“
„It’s one o’clock, it’s two o’clock,
it’s three o’clock, it’s four o’clock …”
„Erklär du es ihm”, flüstert Anna ihrem Freund
zu, „mich versteht er nicht.“ [...]
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Vierte Stunde: Bio
[...]
Ihr Biologielehrer, der jetzt mit forschen Schritten die Klasse
betritt, ist eine Granate namens Vogelbauer, ein Mann von der Statur
eines Titanen, alles an ihm ist großartig, er misst mindestens
zwei Meter in der Höhe, hat tellergroße Hände, Arme
so lang wie die eines Orang-Utan und seine Nase hat er sich bei
einem südamerikanischen Geier geborgt. Das einzig Kleine an
ihm ist sein Gemüt, da passt wirklich nicht viel rein. Sein
wuscheliges, kackbraunes Haar kann scheinbar kein Kamm bändigen,
das schafft höchstens noch ein Gartenrechen. Gleiches gilt
für seine buschigen Augenbrauen über seinen stahlgrauen
Augen, die jeden durchbohren, der sein Unterrichtsfach nicht als
Offenbarung der belebten Natur, sondern als notwendigen Dornenbusch
ansieht. Die Biologie ist die Königsdisziplin unter den Naturwissenschaften,
meint er, selbst dann, wenn er das Liebesleben der Kakerlaken behandelt.
„Guten Morgen“, begrüßt er die 7b, „wir
schreiten fort auf dem Gebiet der Zoologie und kommen heute zu unseren
schwimmenden Gefährten: den Fischen. Sammeln wir doch erst
einmal, was Fische so alles kennzeichnet, woran man sie erkennt,
was sie so tun. Also bitte“, fordert er seine Schüler
auf, „was wisst ihr über unsere Freunde, die Fische?“
Vogelbauer geht unter in einem Bombardement von Antworten, die er
gehetzt an die Tafel pinnt. Dieses Engagement kommt nicht von ungefähr,
denn allen in der 7b ist bewusst, dass ihr Bio-Riese größten
Wert auf mündliche Teilnahme legt. Und zu seinen sogenannten
‘Sammelfragen’ kann nun wirklich jeder seinen Senf dazugeben,
auch ohne sich näher mit dem Lehrstoff beschäftigt zu
haben.
Bernd: „Fische schwimmen.“
Vogelbauer: „Korrekt.“
Detlef: „Fische tauchen.“
Vogelbauer: „Ja schon, aber das schreib ich jetzt nicht auch
noch hin.“
Sabine: „Fischlis legen Eier.“
Vogelbauer: „Sehr gut, aber sie heißen nicht Fischlis,
sondern Fische, Sabine, reiß dich zusammen.“
Marianne: „Sie haben Flossen statt Flügel.“
Vogelbauer: „Okay, Fische haben Flossen, das mit den Flügeln
lass ich jetzt mal weg.“
Kunigunde: „Fische atmen durch Kiemen. Sie nehmen den Sauerstoff
im Gegensatz zu den Amphibien und anderen sowohl im Wasser als auch
am Land lebenden Tieren nicht durch ihre Lungen auf. Darüber
hinaus kennzeichnet diese Wirbeltiere, deren Skelett entweder aus
Knorpel oder aus Knochen besteht, eine Muskulatur, die entsprechend
den Wirbeln ihres Achsenskeletts segmental gegliederten Rücken-,
Bauch- und Schwanzmuskeln ...“
„Das genügt“, unterbricht sie Vogelbauer genervt,
„auswendig lernen kann ich auch selber. Ich will zunächst
die offensichtlichen Eigenschaften der Fische sammeln, nicht ihr
Skelett freilegen. Also: Fische nehmen Sauerstoff über ihre
Kiemen auf, Punkt. Das genügt. Weiter bitte.“
Toni: „Fische sind Wechselblüter.“
Vogelbauer: „Sehr gut, Wechselblüter, genau. Weiter?“
Hans: „Fische springen.“ Vogelbauer: „Jaaaa, Fische
springen auch manchmal, schreib ich aber trotzdem jetzt nicht auf.“
Anna: „Fische kann man fangen mit einem Haken mit Wurm dran,
und wenn’s eine Forelle ist, dann schmeißt man sie in
einen Topf und kocht sie, und wenn sie rauskommt, heißt sie
Forelle Blau, oder wenn sie aus der Pfanne kommt, dann nennt man
sie Forelle Müllerin. Besonders lecker schmeckt sie mit Salzkartoffeln
als Beilage. Wichtig ist ein spezielles Fischbesteck, um die Gräten
ordnungsgemäß vom Fleisch zu lösen.“
Vogelbauer (jetzt ganz blass, fast erschöpft): „Okay,
ich denke, wir haben genug gesammelt und beginnen mit der Unterscheidung
verschiedener Fischarten. Es gibt solche, die nur im Meer schwimmen,
und andere, die ausschließlich Süßwasser vertragen.
Manche Fische wandern auch zwischen verschiedenen Gewässern.
Dann unterscheidet man zwischen Raub- und Friedfischen. Was könnte
das denn wohl bedeuten? Detlef, bitte.“
Die Antwort erfolgt zögerlich, offensichtlich gut durchdacht
und nach Abwägung aller Für und Wider.
„Also die Raubfische, die räubern, ist ja klar, und die
Friedfische, nun, die Friedfische, die ... räubern eben nicht.“
Die Klasse johlt mal wieder über Detlefs geniale Antwort und
bricht in wilden Beifall aus, den sich Vogelbauer aber mit Nachdruck
verbittet. Während er daraufhin ein wenig mehr ins Detail geht,
was die Unterscheidung von Raub- und Friedfischen anbelangt, ohne
freilich in die wissenschaftlichen Abgründe einer Kunigunde
hinabzusteigen, bastelt Anna an einer Papierkrampe. Das Gummi liegt
schon bereit.
„Für wen ist die denn bestimmt?“ fragt Toni flüsternd.
„Ich Raub- und Kunigunde Friedfisch, Du verstehen?“
„Okay, aber der zweite Schuss gehört mir.“ [...] |